Peter Burwik zu 40 Jahre ensemble xx. jahrhundert

Ich kann es kaum begreifen – und doch sind es bereits 40 Jahre ensemble xx. jahrhundert, die für die im Verlauf der Jahre vielen Mitwirkenden – wie auch für mich – große Erlebnisse vermittelten, wichtige Begegnungen erlaubten, den Horizont erweiterten und die Wachheit und Verantwortung ebenso einschlossen wie Neugier und Risiko. Unter diesem Gesichtspunkt bedeutet ein Jubiläum keine Zäsur, sondern einen kurzen Moment der Besinnung und Reflektion, der eigenen Standortbestimmung, um mit klarem Blick die Aufgaben der Zukunft erkennen und in der Folge die entschiedenen Vorhaben mit vollem Engagement angehen zu können.

Es war mein vitales Interesse an der zeitgenössischen Musik und der Unterricht bei Bruno Maderna, der mich 1971 zur Gründung des ensemble xx. jahrhundert bewogen hat. Durch Kurse in Darmstadt und Besuche der Festivals in Donaueschingen und Royan war der Kontakt hergestellt mit dem Personenkreis, dem das Neue der Musik Anliegen und Verpflichtung war. Zu Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre gab es eine besondere Art der Zukunftsorientierung, vieles hat sich damals geöffnet und ich wollte aktiv dabei sein.

Der Name ensemble xx. jahrhundert leitete sich vom Museum des 20. Jahrhunderts ab: Da fingen wir an zu arbeiten, nachdem ich mit dem damaligen Direktor Alfred Schmeller Kontakt aufgenommen hatte. Er war interessiert, das Museum als offenes Haus zu führen, als interaktives Kulturforum sozusagen, in dem auch andere Kunstsparten mit zeitgenössischem Bezug ihren Platz haben sollten.

Das 1. Konzert des neuen ensemble xx. jahrhundert fand am 21.4.1971 im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts statt. Im Programm hatten wir zwei Österreichische Erstaufführungen, „Nr.3, Serenata“ von Bruno Maderna und „Nomos Alpha“, für Violincello solo von Yannis Xenakis. Weiters spielten wir die „4 Stücke für Violine und Klavier, op.7“ und das Konzert op. 24 von Anton Webern sowie die „Nr.1, Kontra-Punkte“ von Karlheinz Stockhausen. Bereits bei diesem ersten Konzert hatten wir großartige Musiker: Den Violinisten Heinz Oberdorfer, den Pianisten Carlos Rivera und am Violoncello spielte Heinrich Schiff.

Wir waren nicht die ersten, die sich in Wien als Ensemble für zeitgenössische Musik betätigten. Es gab das von Friedrich Cerha geleitete Ensemble „die reihe“ und die von Peter Keuschnigg gegründeten und geleiteten „Kontrapunkte“. Für mich als Beobachter und Mit-Akteur der Szene waren – angesichts der vorhandenen ästhetischen Vielfalt und Breite – die in Wien gebotenen Programme ästhetisch nicht ausreichend repräsentativ. Ich habe die Notwendigkeit einer inhaltlichen Ergänzung gesehen, einer größeren ästhetischen Vielfalt und gerade dies wurde damals in Pressekommentaren begrüßt.

Bereits 1973 konnten wir mit den Musikworkshops in Neumarkt an der Raab im Burgenland unseren Aktionsradius entscheidend vergrößern. Es ging darum, mehrere verschiedene Aspekte zu vereinbaren: die Vergabe von Kompositionsaufträgen an junge Komponisten international, die Einbeziehung von Kindern und interessierten Erwachsenen in Projekte, die das Interesse beider an der Neuen Musik festigen könnten, einem didaktischen Aspekt und ganz allgemein die Expansion von Gegenwartskunst aus der Metropole in die
Peripherie, in Bereiche, in denen Normalbevölkerung lebt.

Die finanziellen Mittel, die durch Subventionen zur Verfügung gestellt wurden, waren eher dürftig. Bescheidenste Förderungen vom Unterrichtsministerium gab es damals. Aber Gegenwartskunst musste und muss noch immer von Einzelpersonen durchgesetzt werden.

Mein Interesse, Neue Musik zu machen war nie ein ausschließlich auf Musik bezogenes, sondern es hatte zu tun mit dem gesellschaftlichen Umfeld, das in den frühen siebziger Jahren wirklich in Bewegung war. Sich mit dem Gegenwartsschaffen auseinanderzusetzen, ist immer auch die Auseinandersetzung mit dem Nicht-konformen, mit neuen Fragestellungen, mit Versuchspositionen. Es gab die Hoffnung, dass Neue Musik nicht den Weg des angepassten Musikbetriebs geht, sondern den frischen Zugang zur gesellschaftlichen Entwicklung der Gegenwart behält. Heraus gekommen ist, von heute aus betrachtet: ein neuer Musikbetrieb, bezogen auf ein neues Repertoire. Wahrscheinlich ist eine solche Erwartung aber auch blauäugig, denn es kann nicht ein Kunstzweig, oder Kunst überhaupt, gesellschaftliche Fehlentwicklungen korrigieren.

Diese Idee, dass Kunst wie ein Seismograph der Gesellschaft fungiert und die Gesellschaft diesen Seismographen benötigt um voran zu kommen, wird international politisch noch immer nicht zur Kenntnis genommen. Auch darüber werden wir in unserem Symposion sprechen.

Am 6. Mai 2011 feiern wir einen ganzen Tag lang das 40. Jubiläum des ensemble xx. jahrhundert im Bank Austria Kunstforum. Im Symposion „Entdecken als Leidenschaft“ gibt es einen Austausch renommierter Persönlichkeiten der Musikszene, Komponisten und Musiker sowohl über kulturpolitische Bedingungen zur Zeit der Gründung als auch über die aktuelle Situation der Neuen Musik. Das Festkonzert ist den Musikern des ensemble xx. jahrhundert gewidmet. Die Qualität der Ensemble-Mitglieder war über die Jahre das Rückgrat, und das wollen wir an diesem Abend unter Beweis stellen. Frühere und derzeitige Ensemble-Mitglieder spielen selbstausgewählte Stücke Kammermusik von 1910 bis heute.

Damit ist es aber nicht genug. Wir wollen selbstverständlich auch unsere Domäne, die Uraufführung von Werken österreichischer Komponisten, im Jubiläumsjahr fortsetzen. Dazu gab es vier Kompositionsaufträge. Am 27. Mai 2011 führen wir die neuen Werke „SINDIES“ von Alexandra Karastoyanova-Hermentin und „poème mécanique für zwölf Instrumentalisten“ von Oguz Usman im Palais Kabelwerk, Wien, auf. Im Oktober spielen wir ein weiteres Festkonzert mit neuen Werken von Wolfgang Mitterer und Johannes Maria Staud.

Wir laden Sie herzlich ein, mitzufeiern und – mitzuerleben!

Ihr

Peter Burwik